Gefeierte Premiere: „Die Wunderübung“

Mit "Pünktchen und Anton" steht ein unverwüstlicher Kinderbuchklassiker von Erich Kästner auf der Bühne des Theaters Plauen Zwickau. Er hat nichts an Aktualität verloren.

Plauen. Erich Kästners Kinderbuch "Pünktchen und Anton" erschien 1931 in einer Zeit, in der sich durch Wirtschaftskrisen die Unterschiede zwischen Arm und Reich verstärkten und die Nationalsozialisten immer mehr Zulauf gewannen. Franziska Ritter gelingt am Theater Plauen-Zwickau eine sehr stimmige Inszenierung des Klassikers, den sie mit geschickten Elementen ins Hier und Jetzt überführt. Fahrkartenautomat und Haltestellenschild verorten das Stück in Plauen. Mit dem Bühnenbild schuf Susanne Ruppert einen passenden Spielraum. Auf der Drehbühne wird das moderne große Haus der Pogges abwechselnd der kleinen Wohnung von Anton und seiner Mutter gegenüber gestellt. Das Café Sommerlatte ist immer präsent auf der Bühne und in dessen Geschehen ist ein weiterer Höhepunkt integriert: Philipp Wiechert agiert als Musiker famos und unterstützt die Wirkung des Stückes als Alleinunterhalter an den Instrumenten. Julia Hell und Marcel Kaiser spielen Pünktchen und Anton mit ganz viel Liebe und kindlichem Charme, ohne dabei kindisch zu sein. Die Inszenierung überzeugt gerade in den ruhigen Momenten, die den Erwachsenen den Spiegel vorhalten und zeigen, wozu Verantwortung und Freundschaft alles in der Lage sind. Besonders als Pünktchen sichtlich gerührt ist, wenn Anton das Essen für die Mutter kocht, oder in dem Moment, als sie dem Lehrer erklärt, warum Anton keine Hausaufgaben gemacht hat und im Unterricht einschläft. Die Inszenierung nimmt am Ende noch einmal richtig Fahrt auf. Das fast schon überdrehte Spiel, als Anton die Haushälterin Berta - famos gespielt von Peter Princz - vom geplanten Einbruch informiert und Berta zu Nudelholz und Bratpfanne greift, ist grandios. Ein herrlicher Spaß, der nicht nur die Kinder im Publikum begeistert. Kästners Geschichte kam mitten aus dem Leben, sind spannend wie ein Krimi. Franziska Ritter schafft es mit ihrer Aufführung, ohne Sozialkitsch humanistische Grundwerte zu vermitteln. Freundschaft, Ehrlichkeit und auch Mut stehen im Vordergrund. Letztlich schaffen es die Kinder mit ihrer Art, die Erwachsenen an die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu erinnern. Und all das ohne moraltriefenden Zeigefinger.

Freie Presse vom 27.05.2019
Manja Reinhardt